Volle Welt

Vor ein paar Jahren fuhr ich mit dem Fahrrad eine Runde um den Schwielowsee in der Nähe von Potsdam. Es war eine große Tour und ich nahm die Obstplantagen westlich von Glindow mit. Die Bäume waren kahl und es war herrlich kühl. Der Plantagenweg wird direkt vor Glindow sehr hügelig, und so kam es, dass ich eine weite Aussicht über den Glindower See hatte. Doch ich war enttäuscht. Unter mir ein See und viele Bäume. Man sollte meinen, das Herz ginge einem da auf, doch leider war die Landschaft zernarbt. Überall standen Häuser herum und schimmerten durch die kahle Bewaldung. So geht es mir schon seit Jahren. Es gibt kaum noch Flecken in Deutschland, von denen aus man nichts Menschengemachtes sieht. Immer liegt irgendwo ein Dorf, ein Landwirtschaftbetrieb oder eine Straße. Die Welt ist mir zu voll geworden. Klar, ich könnte nach Sibirien gehen, Tibet soll auch toll sein, oder ich mache Inselhopping wie einst Leonardo di Cabrio. Doch wir sind so viele und genau dies tun so viele, dass ich dann dazu beitragen würde, dass auch diese Landstriche immer voller würden. Die Zukunftprognose ist düster, die Menschheit wächst weiter. Das macht mich traurig. An diesen Punkt kommen wohl alle vernunftbegabten Spezies, deren Überlebensstrategie aufgeht. Es war unvermeidbar, dass auch für uns Menschen der Planet irgendwann zu klein wird. Es ist eine große Last, die wir mit uns herumschleppen. Denn wie sollen wir einen Planeten retten, der bald zu klein für uns wird, wenn wir nicht bald die Technologien entwickeln, uns im Weltraum auszubreiten? Die Zeiten der Entdeckung Amerikas sind vorbei, es gibt gerade keine „Neue Welt“, die man besiedeln kann (schon damals war es nicht so, da dort bereits Leute lebten). Das engt mich ein. Ich will an irgendeinem Rand existieren. Am Rand der zivilisierten Welt, doch so etwas gibt es nicht mehr. Jedenfalls kann man dort nicht mehr reinen Gewissens hingehen, da dieser Rand für die Natur wichtiger denn je ist. Überhaupt ist das pure Existieren eigentlich nur noch mit schlechtem Gewissen möglich. Das stört mich. Früher wollte ich die Welt retten, doch heute bin ich müde. Müde davon, den Müll zu trennen und dann von Dieselaffären zu lesen. So oft es geht mit dem Fahrrad zu fahren und dann vom Plastik im Meer zu hören. Müde davon, dass sich die Mächtigen nicht so anstrengen, wie ich einst. Heute fehlt mir zuweilen die Kraft und ich drifte in die Resignation. Wie kann von der einfachen Bevölkerung verlangt werden, zu handeln, wenn sich die Großen nicht ebenso verhalten? Das es überhaupt ein Plastikproblem im Meer gibt ist mir vor fünft Jahren nicht klar gewesen. Ich ging davon aus, dass die Chiefs und Strandbesucher nicht so blöde sind, es einfach dort zu entsorgen. Da fällt einem die Kinnlade herunter. Ich bin müde der Skandale ohne richtige Konsequenzen. Resignation macht sich breit und ich fliehe in virtuelle Welten in denen die Welt noch in Ordnung ist – mit einem Rechner, der wahrscheinlich nicht sehr umweltschonend hergestellt ist, fahre winters öfter mit dem Auto zur Arbeit, da unsere Gesellschat nun einmal auf Mobilität ausgerichtet ist. Ich möchte kein schlechtes Gewissen mehr haben, an so vielen Stellen meines Lebens. Ich möchte mich gut fühlen, dass und wie ich existiere. Die Mächtigen dieser Welt nehmen mir die Möglichkeit dazu, da sie mir das Gefühl geben, gegen Windmühlen zu kämpfen. Es geht so viel Energie in die pure Reibung verloren, wenn die Kleinen es besser machen wollen und die Großen einem immer wieder klarmachen, dass sie den Planeten noch ein bisschen mehr verschmutzt haben. Überhaupt steuert diese Welt auf eine Krise zu. Es ziehen sich an mehreren Enden die Schnüre zu und treiben uns in die Enge. Die Überbevölkerung, über deren Begrenzung wir sehr bald nachdenken müssen, die Umweltverschmutzung, der Platzmangel. Der entfesselte Kapitalismus der die einfachen Menschen ausschlachtet. Die Globalisierung, die an sich positiv ist, aber viele Menschen zurücklässt. Hinzu kommt das zunehmende Misstrauen gegenüber den Mächtigen, auf Grund ständiger, höchst ernüchternder Aufdeckungen. Als überzeugter Demokrat wünsche ich mir dennoch manchmal mehr Tempo und Politiker mit mehr Stärke in dieser Sache. Zwar sitzen die einfachen Menschen am längeren Hebel, doch es braucht eben fast Alle, um diesen zu bewegen, manchmal wünsche ich mir da einen Knall. Ich bin froh, über die Greta Thunbergs dieser Welt, sie sind die Einzigen die mir Hoffnung geben. Ihre Generation hat noch Kraft und sie scheint wirklich Angst um die Zukunft zu haben. Ich hoffe, dass diese Bewegung sich wie ein Lauffeuer ausbreitet und zu einem Flächenbrand wird. Ihr Politiker, Bosse und Berühmte, ihr Adligen dieser Zeit, wer soll unseren Planeten retten, wenn ihr nicht voran geht? Wie lange werdet ihr unser Verantwortungsgefühl ausbremsen, sogar aushöhlen und die Welt weiter verzehren? Wie lange schauen die jungen Generationen noch friedlich zu? Helft uns, dieser vollen Welt eine Chance zu geben, sich eines Tages von uns zu erholen!